Mehr Miteinander, weniger Gegeneinander
Als ich meinen Mann neulich fragte, was wir unseren Kindern denn dieses Jahr zum Nikolaus schenken wollen, meinte er: „Lass uns nach einem kooperativen Spiel suchen. Diese ganzen Spiele, in denen es immer einen Gewinner und ansonsten nur lauter Verlierer geben muss, sind doch fürchterlich.“ Während ich nur über Schoko-Nikoläuse, Pokémon-Karten und Playmobil-Autos reden wollte, brachte er so plötzlich eine Grundsatzdiskussion auf den Tisch, die mich noch jetzt beschäftigt. Denn er hatte absolut Recht mit seinem Gedanken.
Wir bringen unseren Kindern täglich bei, dass alles ein Wettbewerb ist: Wer hält das beste Referat? Wer schreibt die beste Mathe-Probe? Wer läuft die 100m am schnellsten? Wer ist am schönsten, dünnsten, coolsten? Was macht dieser permanente Wettstreit, wenn er oft auch nur in Gedanken stattfindet?
Vor ein paar Tagen kam mein 6jähriger Sohn tottraurig aus der Schule. Im Sportunterricht wurde seine Klasse in zwei Gruppen geteilt, die gegeneinander antreten mussten. In der gegnerischen Mannschaft, die am Ende verlor, war seine beste Freundin. Und plötzlich machte sich in ihm eine riesige Angst breit, dieser Wettstreit könnte ihre gerade erst gewonnene, und doch schon so wichtige Freundschaft zerstören. Was wir als Erwachsene mit einem Lächeln abtun, ist für unsere Kinder eine reale Angst. Für meinen Sohn war die Notwendigkeit, gegeneinander kämpfen zu müssen, vollkommen unlogisch. Und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr verstehe ich seine Gedanken dahinter. Während ich in der Situation noch zu ihm sagte, dass es in seinem Leben immer wieder zu solchen Momenten kommen werde, dass es zum Leben dazu gehöre, gegeneinander zu kämpfen, frage ich mich inzwischen auch: Wieso muss es so sein? Wieso lernen wir von klein auf, dass unser Gegenüber unser*e Gegner*rin ist? Warum müssen wir immer besser sein als die Menschen, die uns im Alltag begleiten? Warum bringen wir unseren Kindern nicht von Anfang an bei, dass es vielmehr um ein Miteinander geht? Ist das Leben denn nicht ein viel Einfacheres, wenn man Seite an Seite steht, füreinander anstatt gegeneinander kämpft? Mit diesem Gedanken wäre es doch auch viel leichter, die aktuelle „Corona-Lage“ zu durchstehen. Würden wir diese Krise nicht viel besser mit dem Bewusstsein meistern, dass es sich um pure Menschlichkeit handelt, sich in vielem zurückzunehmen, um einen großen Teil der Gesellschaft zu schützen, dem man selbst nicht angehört?
Natürlich gehört noch vieles mehr zur Menschlichkeit. Aber ich glaube, wenn wir begreifen, dass es Zeit wird umzudenken und unsere Kinder zu Menschen erziehen, ihr Gegenüber als Freund*in und nicht als Gegner*in zu begreifen, dann sind wir auf einem guten Weg.